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Anorexia nervosa / Magersucht

Die Magersucht, oder Anorexie, verändert schleichend das ganze Leben der Betroffenen und deren Umwelt. Während die Magerkeit des Körpers schnell auffällt, bemerkt das Umfeld das dahinterliegende psychische und körperliche Leiden oft nur langsam.

Definition

Die Anorexia Nervosa oder Magersucht zeigt sich durch deutliches Untergewicht mit einem Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 kg/m2 verbunden mit der ausgeprägten Angst vor Gewichtszunahme. Betroffene führen den Gewichtsverlust selbst herbei, indem sie die Nahrungsaufnahme vermeiden und/oder gegenregulierende Massnahmen einsetzen wie übermässige körperliche Aktivität oder das Einnehmen von Abführmittel, Appetitzüglern und entwässernden Medikamenten. Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Figur und des eigenen Gewichts sind verzerrt, so dass sich die Betroffenen bezüglich Körpergewicht und -umfang nicht mehr realistisch einschätzen können. Das eigene Körperbild beeinflusst dabei in übertriebener Form das Selbstwerterleben. Zusätzlich können emotionale Störungen, depressive Gefühle, essstörungsspezifische Ängste und Gefühlsarmut auftreten.  

Häufigkeit

Gemäss Untersuchungen im deutschsprachigen Raum tritt die Anorexia nervosa mit einer Lebenszeitprävalenz von 1.3% in unserer Gesellschaft auf (Häufigkeit über die Lebensspanne betrachtet), wobei die Erkrankung meist im Jugendalter beginnt und das weibliche Geschlecht deutlich überwiegt (1:11). Die Mortalitätsrate liegt bei 0.56% der Erkrankten.

Folgeerscheinungen

Durch Mangel- und Fehlernährung können sich zahlreiche körperliche Folgeerscheinungen ausbilden wie Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Magen-Darm-Störungen oder Knochenmarkssuppression mit Anämie und erhöhter Infektanfälligkeit. Hormonelle Veränderungen führen zu vorzeitiger Osteoporose mit Risiko spontaner Knochenfrakturen, zu Amenorrhö und ungewollter Kinderlosigkeit bei Frauen oder zu Libido- und Potenzverlust bei Männern. Ein früher Krankheitsbeginn beeinträchtigt die Abfolge der pubertären Entwicklung (Wachstumsstopp, fehlende Brustentwicklung etc.).  

Diagnostische Kriterien nach ICD-10: F50.0

  1. Ein Körpergewicht von mindestens 15 % unter dem zu erwartenden Gewicht oder ein BMI von 17,5 oder weniger (bei Erwachsenen)
  2. Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung „fettmachender“ Speisen
  3. Körperschemastörung in Form einer spezifischen und übermässigen Angst, zu dick zu werden, bei einer sehr niedrigen Gewichtsschwelle für sich selbst.
  4. Endokrine Störungen auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse. Dies zeigt  sich bei Frauen als Amenorrhoe (Ausbleiben der monatlichen Menstruation) und bei Männern als Libido- und Potenzverlust. Veränderte Wachstums- und Kortisolspiegel, Änderungen des Stoffwechsels, von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion treten ebenso auf.
  5. Beginnt die Erkrankung vor der Pubertät, so beeinträchtigt sie die Abfolge der pubertären Entwicklung (Wachstumsstopp, fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe bei Mädchen; bei Knaben bleiben die Gonaden kindlich). Nach Remission wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt verspätet ein.
  6. Fakultative Symptomatik: selbstinduziertes Erbrechen, selbstinduziertes Abführen, übertriebene körperliche Aktivität und Gebrauch von Appetitzüglern / Diuretika
  7. Es wird unterschieden zwischen einem restriktiven Typ (F50.01 ohne aktive Massnahmen zur Gewichtsabnahme) und einem Binge-/Purging-Typ (F50.02 mit aktiven Massnahmen zur Gewichtsabnahme und unter Umständen Heisshungerattacken)

Risikofaktoren

Risikofaktoren für die Entwicklung einer Magersucht sind:

  • Unzufriedenheit mit Gewicht, Figur und Aussehen
  • Frühere Diäterfahrungen

In Kombination mit:

  • Selbstwertproblemen
  • Perfektionismus und Zwanghaftigkeit
  • emotional vermeidendes Verhalten bei hoher Ängstlichkeit
  • soziale Unsicherheit und unsicherer Bindungsstil
  • genetische Einflüsse

Gesellschaftliche Faktoren wie der Einfluss von schönheitsassoziierten Medien spielen erwiesenermassen eine besondere Rolle, aber auch sportliches Engagement in Bereichen, in denen Figur und Gewicht eine grosse Rolle spielen (z. B.: Ballett, Reitsport, Kunstturnen).

Behandlung

Die Therapie der Anorexie nervosa zielt vorrangig auf eine rasche Normalisierung von Gewicht und Essverhalten ab, bei Frauen bis zu einem Mindest-BMI von 18,5 kg/m² und 19,5 kg/m² bei Männern. Dazu gehören das Entwickeln einer geregelten Mahlzeitenstruktur, die Reduktion der Essanfälle und gegenregulierenden Massnahmen, das Integrieren gemiedener Nahrungsmittel sowie die Anpassung der körperlichen Aktivität an das aktuelle Gewicht.