ENES - Experten-Netzwerk-Essstörungen Schweiz

Bulimia Nervosa

Die Bulimia nervosa äussert sich im Wechsel von unkontrollierten Essanfällen und gleichzeitigen Versuchen, das Gewicht zu reduzieren und schlank zu bleiben.

Diagnostische Kriterien nach ICD-10 F50.2

  1. Permanente Beschäftigung mit Essen, unkontrollierbare Gier nach Nahrungsmitteln.
  2. Essanfälle, bei denen in kurzer Zeit sehr grosse Mengen an Nahrung konsumiert werden (mindestens zweimal pro Woche innert drei Monaten).
  3. Gegenregulierende Massnahmen, um die Gewichtszunahme durch Essanfälle zu kompensieren:
    1. selbst herbeigeführtes Erbrechen
    2. Missbrauch von Abführmitteln
    3. zeitweilige Hungerperioden
    4. Einnahme von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. DiabetikerInnen vernachlässigen z.T. die Insulinbehandlung.
  4. Krankhafte Angst vor dem Dicksein, kombiniert mit einer klar definierte Gewichtsgrenze, die deutlich unter dem medizinisch ‚gesunden‘ Zustand vor der Erkrankung liegt.
  5. Häufig gab es einige Monate bis mehreren Jahren zuvor eine Episode von Anorexia nervosa. Diese kann voll ausgeprägt oder mit mässigem Gewichtsverlust und/oder vorübergehender Amenorrhoe, gewesen sein.  

Vorkommen

Aktuelle Untersuchungen zeigen eine Lebenszeitprävalenz von 1 bis 3% im deutschsprachigen Raum. Dabei liegt das Verhältnis von Frauen zu Männern bei 3:1. Die Erkrankung beginnt meist in der Adoleszenz und kann bei 1.1 bis 5.8% der Betroffenen über die Lebensspanne hinweg zum Tod führen. 

Risikofaktoren

  • Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und ausgeprägtes Schlankheitsideal
  • Diäterfahrungen
  • Vorgeschichte einer Anorexia nervosa
  • Selbstwertprobleme
  • emotionale Instabilität und ausgeprägte Scham erleben
  • gesteigerte Impulsivität
  • Bindungsunsicherheit, Misstrauen und konflikthafte Beziehungen
  • familiäre Belastungen
  • traumatische Erlebnisse. 

Folgeerscheinungen

Im Rahmen einer Bulimia nervosa zeigen viele Betroffene depressive Verstimmungen und Ängste. Ein grosser Teil der Betroffenen hat Erfahrungen mit Alkohol- oder Substanz.

Das häufige Erbrechen führt zu erheblichen und dauerhaften Schäden des Zahnschmelzes und zu Karies. Das mechanische Auslösen des Erbrechens verursacht Narben und Schwielen an den Händen. Bei manchen Betroffenen sind die Speicheldrüsen, insbesondere die Ohrspeicheldrüse deutlich vergrössert. Der ständige Wechsel von Essen und Erbrechen kann zu Schwankungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes  mit Nierenschädigungen, Ödemen und Herzrhythmusstörungen führen. Typische Folgen sind auch Magenüberdehnung, Entzündungen von Magen und Speiseröhre, chronische Verstopfung sowie Vitamin- und Nährstoffmangelerscheinungen. 

Behandlung

Wichtigste Massnahmen bei der Bulimia nervosa sind das Aufbauen einer regelmässigen Mahlzeitenstruktur zur Reduktion von Essanfällen und das Eindämmen gewichtsreduzierender Massnahmen. Dies vermindert physiologisch ausgelöste Essanfälle aus einer Hungersituation heraus. Ebenso werden emotionale und situative Auslöser von Essanfällen evaluiert, um alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Wichtig ist auch die Konfrontation mit gemiedenen oder Essanfälle auslösenden Lebensmitteln (cue exposure).