ENES - Experten-Netzwerk-Essstörungen Schweiz

Orthorexia Nervosa

Wenn der Wunsch, sich gesund zu ernähren, zum Zwang wird.

Definition

Die Orthorexia nervosa oder Orthorexie beschreibt eine übertriebene Beschäftigung mit gesunder Ernährung und zwanghaftes Vermeiden ‚ungesunder’ Lebensmittel. Dabei wird die Definition von ‚gesund’ oder ‚ungesund’  mit der Zeit immer strikter. Gleichzeitig achten Betroffene auf die strikte Einhaltung von Ernährungsregeln und entwickeln ihre eigenen spezifischen Essgewohnheiten, die immer mehr Zeit in Anspruch nehmen. Diese restriktiven Essgewohnheiten erschweren Mahlzeiten in Gesellschaft oder in Restaurants,  sodass sich Betroffene zunehmend von ihrem sozialen Umfeld distanzieren und auch andere wichtige Lebensbereiche allmählich vernachlässigen. Sie fühlen sich schuldig, wenn sie von ihrer Diät abweichen und fürchten, dadurch zu erkranken. Das Einhalten der Diät wird als Erfolg erlebt und vermittelt ein Gefühl von Kontrolle.

Ob eine fachliche Unterstützung notwendig ist, hängt vom subjektiv wahrgenommenen Leidensdruck und den Einschränkungen der allgemeinen Lebensqualität ab.  

Vorkommen

In einer 2010 im Auftrag des BAG durchgeführten, repräsentativen Umfrage der Schweizer Bevölkerung gab fast ein Drittel aller Befragten an, sich übermässig mit gesundheitsfördernder Ernährung zu beschäftigen. Ob es sich bei der Orthorexie um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt oder lediglich um einen aufwändigen Lebensstil, wird aktuell kontrovers diskutiert. 

Risikofaktoren

Orthorektisches Essverhalten kann im Zusammenhang mit anderen Essstörungen auftreten. Der Versuch, sich möglichst gesund zu ernähren, kann ein Versuch sein, eine vorhandene Essstörung zu bewältigen. Umgekehrt kann orthorektisches Essverhalten auch die Entwicklung einer Essstörung begünstigen. 

Folgeerscheinungen

Orthorektisches Essverhalten kann die Entwicklung anderer Essstörungen begünstigen und durch einseitige Ernährung zu Fehl- und Mangelerscheinungen führen.  

Diagnostische Kriterien

Offiziell gehört die Orthorexie nicht zu den Essstörungen. Der Begriff wurde erstmals vom amerikanischen Arzt Steven Bratman im Jahr 1997 geprägt. Bratman stellte den nachfolgenden Fragekatalog zur Überprüfung einer möglichen Orthorexie auf:

  • Denken Sie mehr als 3 Stunden am Tag über Ihre Ernährung nach?
  • Planen Sie Ihre Mahlzeiten mehrere Tage im Voraus?
  • Ist Ihnen der ernährungsphysiologische Wert Ihrer Mahlzeit wichtiger als ihr Genuss?
  • Haben Sie das Gefühl, je gesünder Sie sich ernähren, desto schlechter sei Ihre Lebensqualität?
  • Sind Sie in letzter Zeit mit sich strenger geworden?
  • Steigert sich Ihr Selbstwertgefühl durch gesunde Ernährung?
  • Verzichten Sie auf Lebensmittel, die Sie früher genossen haben, um nun “richtige” Lebensmittel zu essen?
  • Haben Sie durch Ihre Essensgewohnheiten Probleme auszugehen und distanzieren Sie sich dadurch von Freunden und Familie?
  • Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie von Ihrer Diät abweichen?
  • Fühlen Sie sich glücklich und unter Kontrolle, wenn Sie sich gesund ernähren? 

Behandlung

Die Orthorexie wird ähnlich wie die anderen Essstörungen behandelt. Es geht v.a. darum, das Essverhalten zu normalisieren und zu entspannen. Die Betroffen sollen lernen, sich wieder etwas zu gönnen, weil es gut schmeckt oder sie es mögen, ohne nach dem Nährwert und den gesundheitlichen Folgen zu fragen.